Eigentlich schien die Sache längst in trockenen Tüchern. Ende Mai erhielt die Lufthansa Group den Zuschlag beim Wettbieten um den italienischen Alitalia Nachfolger ITA Airways. Lufthansa sicherte sich eine Minderheitsbeteiligung von 41% für 325 Millionen Euro. Doch seither hakt es. Grund dafür: Die EU Kartellbehörde hat Bedenken hinsichtlich einer marktbeherrschenden Stellung am Flughafen Mailand Linate. Droht die Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa zu scheitern?
ITA Airways Übernahme durch Lufthansa – UPDATE
Lufthansa Chef Carsten Spohr war im November noch davon ausgegangen, dass die Integration von ITA Airways in den Lufthansa Konzern im Januar 2024 beginnen könnte.. Dies hätte vorausgesetzt, dass die EU- Kommission im Rahmen der begrenzten Prüfphase von 25 Arbeitstagen zu einem Ergebnis kommt. Nunmehr haben die Wettbewerbshüter in Brüssel mitgeteilt, dass man mehr Zeit brauche. Die vertiefte Prüfung des Antrags wird nun weitere 90 Tage in Anspruch nehmen.
Für ITA Airways könnte es dadurch eng werden, denn ohne frisches Geld droht der italienischen Airline die Puste auszugehen.
Lufthansa Übernahme von ITA nach zähem Ringen
Das Ringen um den Nachfolger der hoch verschuldeten Staats- Airline Alitalia, ITA Airways, glich Anfang des Jahres 2023 einem Wirtschaftskrimi, bei dem eine Investorengruppe um Delta Airlines sowie Air France/KLM zunächst die Oberhand zu behalten schien. Doch die exklusiven Verhandlungen mit den Skyteam Vertretern blieben am Ende ohne Einigung und so gelangte die Lufthansa Gruppe wieder an den Verhandlungstisch. Als dann Anfang Juni 2023 endlich eine Einigung bekanntgegeben wurde, wollten die beiden Airlines so zügig wie möglich die operative Zusammenarbeit aufnehmen.
Doch schnell wurde deutlich, dass die Genehmigung der europäischen Wettbewerbshüter kein Selbstläufer werden würde. Die Kartellbehörde der Europäischen Union hat die Aufgabe, bei Fusionen von Unternehmen zu prüfen, ob durch die Zusammenlegung keine marktbeherrschende Stellung entsteht. Dies würde schließlich Konkurrenten und damit den Wettbewerb behindern und zu steigenden Preisen für Verbraucher führen.
Knackpunkt Flughafen Mailand Linate
Airliners zufolge bestehen Bedenken seitens der Behörde vor allem hinsichtlich des Flughafens Mailand Linate, den ITA Airways in Mailand fast ausschließlich nutzt. Der Flughafen Linate ist ein Stadtflughafen, der ausschließlich Kurzstreckenflüge abwickeln kann. Nach Ansicht der EU besteht auf den Verbindungen von Mailand Linate zu den Lufthansa Drehkreuzen in München, Frankfurt, Zürich und Wien eine marktbeherrschende Stellung durch die Lufthansa Gruppe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Übernahme von ITA ohne Auflagen genehmigt werden würde.
Lufthansa und ITA Airways sollen intern die Abgabe von Start- und Landerechten – so genannten Slots – an dem Flughafen angeboten haben, um endlich mit der Einbindung der italienischen Airline in den Lufthansa Konzern beginnen zu können. Das Thema ist politisch inzwischen auf höchster Ebene angesiedelt. Sowohl die italienische Regierungschefin Meloni wie der deutsche Bundeskanzler Scholz haben ein zügiges Genehmigungsverfahren gefordert.
Update: Inzwischen ist der Antrag formell bei der Europäischen Union eingereicht worden und es zwickt aus Sicht der Wettbewerbshüter auf sechs Monopolstrecken:
- Mailand – Frankfurt
- Mailand – Stuttgart
- Mailand – Düsseldorf
- Rom – Frankfurt
- Rom – München
- Rom – Zürich
Ebenfalls problematisch sieht man laut einem internen Dossier, aus dem der Corriere della Sera zitiert, die Strecken von Mailand nach Brüssel und Hamburg sowie von Rom nach Brüssel, auf dem der Gemeinschaftskonzern aus Lufthansa und ITA eine marktbeherrschende Stellung habe.
Langstrecken der eigentliche Knackpunkt?
Ob eine Verringerung der Frequenzen der Lufthansa Group Airlines das Problem der marktbeherrschenden Stellung auf den genannten Strecken wirklich löst, darf bezweifelt werden. Denn um auf Strecken echten Wettbewerb zu schaffen, braucht es Wettbewerber, die bereits sind, Flüge auf diesen Strecken anzubieten – und damit einen vermutlich harten Preiskampf mit der Lufthansa zu starten. Wenn dazu absehbar keine Airline bereit ist, würde eine Verringerung der Frequenzen nur zu deutlich höheren Preisen auf den Strecken führen.
Weniger entspannt sieht man bei Lufthansa indes, dass die EU- Behörde offenbar auch Handlungsbedarf auf Langstrecken sieht. In den informellen Vorverhandlungen soll die EU Frequenzreduzierungen auf der Langstrecke an den Lufthansa Hubs in Frankfurt und München als mögliche Auflagen ins Spiel gebracht haben. Zusätzlich sickerte zuletzt durch, dass auch weitere Lufthansa Airlines ihre Strecken vor allem nach Nordamerika reduzieren sollten. Das ist allerdings eine rote Linie für die Lufthansa Group, die die ITA- Übernahme durch Lufthansa noch gänzlich platzen lassen könnte. Ein Szenario, das vor allem für ITA Airways schwerwiegende Folgen haben könnte, ist der italienische Carrier doch dringend auf frisches Geld angewiesen. Eine erfolgreiche Übernahme scheint also vor allem an möglichen Auflagen auf der Langstrecke zu hängen.
Im Frachtbereich sieht die EU Kommission dagegen offenbar nur geringfügige Überschneidungen zwischen Lufthansa und ITA Airways, so dass es an der Stelle nicht haken wird.
ITA Übernahme durch Lufthansa – Antrag auf Genehmigung
Nachdem der förmliche Genehmigungsantrag nun gestellt ist, hat die EU Kartellbehörde eine begrenzte Prüfphase von 25 Arbeitstagen Zeit zur Bewertung. Diese Phase endet am 15. Januar 2024. Konkurrenten bekommen ebenfalls die Möglichkeit, Stellungnahmen einzureichen. Sind zum Ende der Prüfphase nicht alle Bedenken ausgeräumt, kann die Behörde eine vertiefte Prüfung einleiten, die weitere 90 Tage dauern würde. Lufthansa Chef Carsten Spohr hatte Anfang November gesagt, dass er mit einer Genehmigung Anfang 2024 rechne.
Am Beispiel der Übernahme des koreanischen Star Alliance Mitglieds Asiana durch den lokalen Konkurrenten Korean Air kann man gut sehen, wie langwierig solche Übernahmeprozesse werden können. Das Verfahren zieht sich dort schon seit Jahren hin und intern wird inzwischen nicht mehr damit gerechnet, dass die Asiana- Übernahme noch genehmigt wird. Auf der Bremse stehen in dem Fall neben US- amerikanischen Wettbewerbshütern auch die Kartellbehörden der Europäischen Union. Sie befürchten marktbeherrschende Stellungen von Korean Air auf vielen Routen von Seoul nach Europa.
Die Akte ITA Airways wird sicherlich auch nicht erleichtert durch den Fakt, dass in Brüssel derzeit über eine ganze Reihe von Airline- Übernahmen entschieden werden muss. Air France will SAS übernehmen und IAG will schon seit langem Air Europa in Iberia integrieren. Dazu noch die offene Akte um die Übernahme von Asiana. Es scheint so zu sein, dass die maßgeblichen Airlines sich hier gegenseitig blockieren und nur eine Lösung im Gesamtpaket möglich sein wird.
Fazit
Es ist weiterhin ein zähes Ringen um die Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa und ein Ende ist noch nicht absehbar. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass eine Genehmigung bevorsteht, sonst hätten ITA und Lufthansa den förmlichen Antrag nicht gestellt. Doch selbst wenn die Genehmigung erteilt ist, wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir mit einem Star Alliance Gold Status Vorteile auf ITA- Flügen haben werden.